Freitag, 24. Januar 2014

Nebraska (2014)

Woody Grant (Bruce Dern) ist ein alter, etwas dementer und versoffener Mann, der glaubt eine Million Dollar gewonnen zu haben. Nachdem er einige Male versucht seinen angeblichen Gewinn zu Fuß auf dem Highway  nach Lincoln, der Hauptstadt Nebraskas, abzuholen, hilft ihm schließlich zähneknirschend sein Sohn David (Will Forte) dabei, der aber genau weiß, dass das ‚große  Los‘  doch nur ein billiger Reklame-Trick ist. Der alte Mann bleibt aber stur und so wird die Fahrt der Beiden letztlich eine Reise in die Vergangenheit von Woody und seiner Frau Kate (großartig: June Squibb).

Klingt langweilig?  Könnte man denken, aber der im streng schwarzweiß gedrehte Film ist ein wunderbar inszeniertes, absurdes aber gleichzeitig auch ein poetisches Roadmovie über die kuriose Suche nach dem amerikanischen Traum in Gestalt von diesem Woody Grant (auch wenn für einige vielleicht die Geschichte eine Spur zu langsam erzählt wird). Wir wissen von Anfang an, dass es keinen Hauptgewinn für Woody geben wird und auch wenn er ein Verlierer und Alkoholiker ist, der zudem mit seiner Familie zerstritten ist, drücken wir ihm trotzdem heimlich die Daumen, für etwas, was ihn anderweitig auf seine alten Tage in der Ödnis Nebraskas glücklich machen wird. Er wird es finden.

Die Handlung macht irgendwann Halt in Hawthorne, der Geburtsstadt von Woody und Kate. Als es die Runde macht, das Woody plötzlich Millionär ist, kommen alte Freund- und Feindschaften wieder zum Vorschein. Wir lernen die Familie der Beiden kennen, deren Tagesinhalt es hauptsächlich ist im Wohnzimmer in die Röhre oder Luft zu starren, verbunden mit einer Sprachlosigkeit oder sinnlosen Diskussionen, wie der Beiden debilen Cousins von David, die sich ständig darüber auslassen, das er ganze zwei Tage von Billings für die 900 Meilen gebraucht hat, um in Hawthorne anzukommen, die Beiden würden es doch schließlich innerhalb von nur wenigen Stunden schaffen. Allein nur durch diese Bemerkung ist David für die ein Loser, für uns als Zuschauer ist es aber genau andersrum. Auf dieser besonderen Reise wird Woody sie alle wiedersehen, seine Familie, Weggefährten, Ex-Geliebte und Ex-Kollegen, die im Gegensatz zu ihm das Kaff niemals verlassen haben. Für die ist er nun als angeblicher Millionär ein Held, allerdings bis Neid und Gier ins Spiel kommen.

Regisseur Alexander Payne, selbst in Nebraska geboren, trumpft mit einigen wundervollen Szenen auf, wie beispielsweise der Friedhofszene, in dem die resolut freche Kate, die sonst eh kein gutes Haar an irgend jemanden lässt, einem Verstorbenen vorm Grab das zeigt, was er bei ihr versäumt hat (und man mag es kaum glauben, was wir da auf der Leinwand zu sehen bekommen). Die Suche nach Woodys Gebiss auf den Schienengleisen ist ebenfalls amüsant gelungen, genau wie der vergeigte Kompressor-Klau...man hat stets ein Lächeln im Gesicht, wenn Payne seine tragik-komödiantischen Asse aus dem Ärmel zaubert.

Die Schauspieler sind, nicht überraschend für Paynes glückliches und bereits mehrfach Oscar-nominiertes-Besetzungshändchen, alle exzellent gewählt. Bruce Dern hat es in seiner langen Karriere leider nie geschafft einen Superstar-Status zu erlangen, obwohl er schon zuvor mit den Größten im Filmgeschäft zusammengearbeitet hatte (wie z.B. Alfred Hitchcock, Sydney Pollack, Hal Ashby, Francis Ford Coppola oder Jack Nicholson). Er hat es nun Payne zu verdanken, in NEBRASKA die Rolle seines Lebens zu spielen, in Cannes wurde er letztes Jahr als bester Schauspieler mit der goldenen Palme ausgezeichnet. Will Forte, eigentlich ein Comedy Schauspieler und Sketch-Autor spielt einen wunderbar melancholischen und wachen Sohn, der seinem Vater am Ende einen würdigen Auftritt beschert . BREAKING BAD-Schauspieler Bob Odenkirk hat zwar als älterer Sohn von Woody ebenfalls einige Momente zu bieten, neben Forte verblasst er aber allerdings etwas. Der heimliche Star des Films, neben Dern natürlich, ist aber June Squibb. Sie durfte schon in ABOUT SCHMIDT neben Jack Nicholson in einer Kurzrolle agieren, hier nun bietet Payne ihr einen glanzvollen Auftritt mitsamt den besten Dialogen im ganzen Film.

Payne hat bereits eine Handvoll abendfüllender und tiefgründiger  Spielfilme gedreht, die allesamt sehenswert sind. Nach ELECTION, ABOUT SCHMIDT, SIDEWAYS und THE DESCENDENTS nun also NEBRASKA. Ich empfinde letzteren nicht als seinen stärksten Beitrag bis dato, aber immer noch hervorragend und treffsicher, wie man es von ihm gewohnt ist.

Die letzte Szene ist auch so wunderbar würdig geglückt und passt sich perfekt dem Finale an, auch wenn Woody keine Million US-Dollar erhalten hat, am Ende haben wir alle das Gefühl, das er doch gewonnen hat, etwas das mehr Wert hat als reines Vermögen. Ein Triumph für Woody! Vor allem aber für den Schauspieler Bruce Dern.

08/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen